Die Antwort ist Nein. Das folgende halte ich für wahr:
(1) Es gibt keine Einhörner.
(2) Es gibt Säugetiere.
Aber diese beiden Meinungen können – vorausgesetzt es ist begrifflich wahr, dass Einhörner Säugetiere sind – nicht zugleich falsch sein. Die Konjunktion der Negationen aller meiner (Außenwelt-) Meinungen ist inkonsistent. Also habe ich mindestens eine wahre (Außenwelt-) Meinung.
Kleine Anmerkung: Mein Punkt ist nicht, dass jedes bekannte Szenario ein paar bestimmte Meinungen wahr lässt. Im Szenario des Gehirns im Tank bleibt die Meinung, dass ich ein Gehirn habe, wahr, und im Szenario des ewigen Traumes bleibt es sogar wahr, dass ich einen menschlichen Körper habe. Mein Punkt ist, dass es das universale Irrtumsszenario nicht geben kann.
Ist das ein bemerkenswertes Ergebnis? Für sich genommen sicherlich nicht, aber erstaunlich oft ist zu hören, der Skeptiker behaupte, alle meine (Außenwelt-) Meiungen könnten falsch sein. Wenn das die These des Skeptizismus wäre, wäre er leicht zu widerlegen. Ich denke deshalb, dass man den Skeptizismus missversteht, wenn man ihn auf diese These festlegt. Er behauptet, dass ich nichts (über die Außenwelt) wissen kann. Das ist eine andere These als die These, dass alle meine (Außenwelt-) Meinungen falsch sein könnten.
Vielleicht sind Sie geneigt zu sagen: “Zugegeben! Es können nicht alle meine Meinungen zugleich falsch sein, aber es könnte doch jede oder fast jede meiner Meinungen falsch sein.” Das ist kein gelungener Reparaturversuche. Nach übereinstimmender Meinung aller Philosophen, die ich kenne, ist “Jede meiner Meinungen könnte falsch sein” keine skeptische These, sondern eine Trivialität namens Fallibilismus: Rechtfertigung garantiert nicht Wahrheit. (Warnung: Dies ist ein dubioses Autoritätsargument!)
Vielleicht neigen Sie auch zu einem anderen Reparaturversuch: “Es können nicht alle meiner Meinungen falsch sein, aber alle meiner atomaren Meinungen.” Eine atomare Meinung soll dabei eine Meinung sein, deren Inhalt eine atomare Proposition ist. Eine atomare Proposition besteht aus einer n-stelligen Prädikatkonstante und n Individuenkonstanten. Das ist keine gute Idee und zwar aus Gründen, die Wittgenstein dazu bewogen haben, sich von seinem Tractatus abzuwenden: Atomare Propositionen sind nicht unabhängig (siehe “Some Remarks on Logical Form”). (Warnung: Dies ist ein dubioses Autoritätsargument!)
Andere Reparaturversuche fallen mir gerade nicht ein. Lektion? Man sollte den Skeptizismus nicht als eine These über das Ausmaß an Falschheit, das meinen (Außenwelt-) Meinungen anhängen könnte, verstehen. Er behauptet, dass ich nichts (über die Außenwelt) wissen kann. Das wäre schlimm genug – egal, ob der Skeptiker auch noch eine Behauptung über die potentielle Kardinalität der Menge meiner falschen Meinungen macht.
Dies hat – vielleicht! – Konsequenzen für unser Verständnis szenarienbasierter skeptischer Argumente. Man kann skeptische Szenarien wie das vom Gehirn im Tank auf zwei Weisen verstehen. Was ist der Witz solcher Szenarien? Eine Option: Das Szenario führt mir die potentielle Falschheit vieler meiner Meinungen vor Augen. Dies ist das Verständnis von skeptischen Szenarien als Irrtumsmöglichkeiten. Das ist jedoch merkwürdig. Denn kein Szenario kann (aus logisch-semantischen Gründen) mir vor Augen führen, wie meine Meinungen (1) und (2) falsch sein könnten. Eine andere Option: Es führt mir vor Augen, dass meine Meinungen höchstens zufällig wahr sind, die epistemische Verbindung zur Wirklichkeit gestört sein könnte. Dann und nur dann berührt das Szenario vom Gehirn im Tank alle meine (Außenwelt-) Meinungen. Dies ist das Verständnis von skeptischen Szenarien als, wie ich es nennen möchte, Zufallsmöglichkeiten.
Ich präferiere die zweite Option.